Lernjournal als wichtiges Instrument für den Lernprozess

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– Wie ich damit auch die Beziehung pflegen, fachliche und persönliche Fragen beantworten sowie einen Überblick behalten konnte –

Das Lernjournal ist ein Instrument, dass ich zu Beginn des Schuljahres neu in meinen Kursen einführte. Es war der fehlende Baustein im selbstorganisierten Konzept, dass wir seit einigen Jahren entwickelt haben und immer noch weiterentwickeln.

Ziel des Lernjournals ist es, dass die Schüler*innen sich ihrer Lernprozesse bewusst werden und sie reflektieren lernen. Sie sollten dieses wöchentlich führen und folgende Fragen beantworten:

  • Was hast du heute im Unterricht gemacht und wie war deine Motivation?
  • Wie zufrieden warst du damit? Wo kann dich deine Lehrkraft unterstützen?
  • Was nimmst du dir für die nächste Stunde vor?

Meistens sehe ich die Kurse zweimal in der Woche. Da wir in der Schule das Lernmanagementsystems Moodle und das E-Portfolio Mahara nutzen, entschied ich mich, die Lernjournale in Mahara zu führen. Sie reichten einmal die Ansicht in Moodle ein. Ich konnte sie orts- und zeitunabhängig kommentieren.

Schnell entwickelten sich die Einträge als Routine und ich erhielt wertvolle Informationen, welche Einstellung die Schüler*innen zum Fach und welche Probleme sie noch haben. Bevor ich eine grobe Planung für die nächste Stunde machte, las ich mir von allen die Einträge durch und gab eine kurze Rückmeldung. Für mich wurde es ein sehr wertvolles Instrument, um meine Planung näher an den Schüler*innen auszurichten. Ich stellte auch fest, dass einige Lernende im Lernjournal ihre Wünsche zum Unterricht äußerten, mir diese aber nie vor der gesamten Klasse oder in Einzelgesprächen äußerten. Ich war begeistert und die ersten losen Rückmeldungen waren von Seiten der Lernenden, dass sie die Rückmeldungen von mir wichtig fanden. Andere empfanden die Einträge als unnötig und lästig, aber jedes neue Instrument funktioniert zu Beginn nicht perfekt und muss im Laufe der Zeit modifiziert werden.

Und dann kamen die Schulschließungen durch Corona.

Die Begeisterung für das Lernjournal wuchs von meiner Seite wöchentlich. Es wurde für immer mehr Lernende ein Instrument, indem sie ganz konkrete fachliche Fragen stellen konnten, indem sie aber auch ihre persönlichen Sorgen und Unzufriedenheiten mitteilten. Ich stellte auch in meinen Moodle Kursen, Foren zur Verfügung, in denen sie Fragen stellen konnten. Diese wurden aber wenig genutzt. In der gesamten Schulschließung gab es immer mal Lernende, die ihre Wochenaufgaben nicht erledigten, aber das Lernjournal wurde zu 95% gepflegt. Und wenn die thematischen Aufgaben nicht erledigt wurden, wurde im Lernjournal reflektiert, warum sie es nicht geschafft hatten. So konnte ich zum Beispiel gezielt, Tipps zur Selbstorganisation oder Zeitmanagement geben oder einfach auch mal sagen, dass es ok ist, dass sie es nicht schaffen und sich nicht so unter Druck setzen sollen.

Das Ziel des Lernjournals änderte sich und wurde immer mehr meine Beziehungspflege (neben Videokonferenzen). Die Fragen änderte ich mit der Zeit. Sie erhielten von mir meist Wochenpläne. Von daher war es überflüssig zu beantworten, was nehme ich mir für nächste Woche vor. Und sie beantworteten folgende Fragen:

  • Was hast du die Woche im Fernunterricht gemacht?
  • Was ist dir gut gelungen? Wo gab es noch Schwierigkeiten? Wie hast du die Schwierigkeiten gelöst?
  • Wie kann dich deine Lehrerin noch unterstützen?

Sie konnten bis Freitag Abend einen Eintrag ins Lernjournal tätigen. Am anschließenden Wochenende kommentierte ich die Einträge. Daran konnte ich meine nächsten Wochenaufgaben ausrichten und erhielt einen guten Überblick, wer gut zurecht kam, wer mehr Unterstützung benötigte, wen ich auf andere Kommunikationskanäle besser erreichen konnte usw. So konnte ich auch Projekte über mehrere Woche stellen und hatte trotzdem einen recht guten Überblick, wer wo steht.

Wie du siehst, bin ich sehr begeistert von diesem Instrument und werde es egal, in welcher Form wir unterrichten, weiterführen. Es war eine unkomplizierte und wenig arbeitsaufwendige Form, um die Beziehung zu pflegen, Präsenz zu zeigen und einen Überblick zu behalten.

Über die Fragestellungen muss ich noch mehr nachdenken. Die Fragen, was gelungen ist, wo es Schwierigkeiten gab und wie sie sie gelöst haben, fällt den Lernenden noch schwer zu beantworten. Ich finde sie aber die besseren Denkanstöße, als nur nach der Zufriedenheit zu fragen, die auch schnell mit „Zufrieden“ zu beantworten ist.

Zum Abschluss diesen Schuljahres habe ich mir noch eine Rückmeldung von meinen Schüler*innen zu diesem Instrument eingeholt. Im Folgenden kannst du sie lesen:

Auf der positiven Seite steht:

„Gut an dem Lernjournal war, dass man eine ständige Möglichkeit hat, den Lehrer zu kontaktieren.“

„Eine gute Möglichkeit, Vorschläge zu geben, wie man [die Aufgaben] verbessern oder wie der Unterricht besser wird.“

„Man beschäftigt sich mit sich selbst und mit den Themen.“

„Ich konnte meine eigenen Fortschritte dokumentieren.“

„Gut finde ich, dass Sie jeden Beitrag kommentiert haben.“

„…falls etwas nicht gut lief, konnte man es so einfach mitteilen.“

„Fragen konnten schneller (zu Corona-Zeiten) und individueller (Allgemein) geklärt werden.“

„Bessere Einsicht in den „Lernstand“ des einzelnen während Corona. Dadurch konnte jeder in seinem Tempo arbeiten, ohne das man auf der Strecke bleibt. Ich fände eine Beibehaltung gut.“

Das Lernjournal war auf jeden Fall hilfreich für mich, da ich somit auch meine eigene Entwicklung notieren konnte und mich selber motivieren konnte, die Aufgaben, die für die nächste Stunde aufgeschrieben habe, zu bearbeiten. Außerdem habe ich das Lernjournal auch als Hilfe gesehen, da ich Ihnen somit immer Fragen stellen konnte, wenn etwas nicht ganz klar war und sie haben auch jedes Mal darauf geantwortet. Zudem dient es auch ein wenig zur Selbstreflexion, da man selber schauen kann, woran man gerade genau arbeitet und wie der eigene Lernfortschritt ist.“

Auf der negativen Seite steht:

„Was ich jedoch ändern würde, ist die Zeit. Ich würde keinen bestimmten Tag festlegen, an dem man in das Lernjournal eintragen muss.“

„Wenn ich keine Probleme hatte, war es unnütz das einzutragen.“

„Das Lernjournal war nicht schlimm, aber auch nichts großartiges.“

„Beim Fernunterricht hätte ich immer das Gleiche schreiben können, deswegen habe ich es zum Schluss gelassen.“

„Fürs Homeschooling war es sehr sinnig und nützlich, aber nicht, wenn wir normal zur Schule gehen.“

„Finde es unnötig jede Woche zu schreiben, dass alles gut geklappt hat.“

„Für Lehrer war es nützlich, für Schüler nutzlos, da wenn ich etwas nicht verstehe, nachfrage. Und Sachen wie Motivation usw. für mich nicht nötig erscheinen.“

Du siehst, es bleibt noch viel zu tun, das Instrument zu verbessern und weitere Denkanstöße zu geben, seinen eigenen Lernprozess, die eigene Motivation und die Problemlösestrategien zu reflektieren. Die Nützlichkeit zu empfinden ist mir noch nicht bei allen geglückt.

Was denkst du dazu? Welche Instrumente waren für dich nützlich, um die Beziehung zu pflegen und den Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, konkrete Fragen inhaltlich wie persönlich stellen zu können?

Ich freue mich auf deine Kommentare.

Unterschrift Anne

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