Seit einem Monat bin ich mit meinem Spanischkurs der Oberstufe des Beruflichen Gymnasiums im Distanzunterricht. Die Lerngruppe befindet sich im zweiten Lernjahr. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich dich an meinen Ideen und kleinen Projekten teilhaben lassen, die ich mit meinen Lernenden umgesetzt habe.
Spanisch trifft Latein
Mein Lateinkollege und ich hatten es bereits vor den Weihnachtsferien angedacht, dass wir eine Unterrichtsstunde gemeinsam organisieren. Nachdem wir wussten, dass wir wieder im Distanzunterricht sind, wurde unsere grobe Idee in die Tat umgesetzt. Die Lernenden sollten sich die Sprache wie ein Anfängerunterricht gegenseitig vorstellen, mit dem Ziel, Lust auf die Sprache zu machen und einen Einblick in den eigenen Unterricht zu geben. In zwei Doppelstunden wurden Ideen gesammelt, Aufgaben entwickelt, ausprobiert und letztendlich die einzelnen Aufgaben zu einem großen Ganzen zusammengefügt. Jede Lerngruppe bekam 45 Minuten Zeit für den eigenen Unterricht. Lernen durch Lehren hat hier wunderbar funktioniert. Sie wiederholten Grundlagen der eigenen Fremdsprache und wurden sich bewusst, wie sie selber gerne lernen.
Die „Lateiner*innen“ wurden auf Spanisch begrüßt. Sie hörten ein Lied sowie einen kurzen spanischen Dialog, der von den Lernenden vorgetragen wurde. Weiterhin erfuhren sie einige Kuriositäten über Spanien. Alle Aufgaben waren interaktiv gestaltet und die „Lateiner*innen“ hatten alle Hände voll zu tun. Der rote Faden bildete ein Kahoot-Spiel, dass zu Beginn und zum Ende als Ergebnissicherung gespielt wurde.
Dann kam die Lateinstunde, bei der ich natürlich auch mitmachte. Ich hatte bisher kein Latein und war sehr neugierig. Die harte Schule traf uns sofort: Wir übersetzen und erhielten einen Überblick über die fünf Fälle. Anschließend bekamen wir noch einen geschichtlichen Einblick von Hannibals Alpenüberquerung. Zum Abschluss erzählte mein Kollege witzige Anekdoten aus dem Lateinunterricht. Ich habe viele interessante Impulse von meinem Fremdsprachenkollegen erhalten. So einen Austausch unter Kolleg*innen kann ich nur empfehlen.
Die Videokonferenz setzten wir mit BigBlueButton um. Meine Lerngruppe, die sieben Schüler*innen aus dem Lateinkurs hatten, organisierte eine gemeinsame Stunde. Die Lateingruppe gestaltete ihren Unterricht in kleinen Gruppenräumen. Die Vorbereitung zur Stunde lief teils asynchron, teils in einer Konferenz.
Einige Rückmeldungen meiner Schüler*innen zu diesem Projekt
„Mir hat besonders gefallen das wir uns selbst aussuchen konnten was wir den Lateinern beibringen möchten und frei in der Gestaltung waren. Zudem war es interessant auch noch eine weitere Sprache kennen zu lernen.“
„Ich finde es ist ein lockerer Austausch gewesen und man konnte sich einfach so ein bisschen auf etwas neues einlassen und ich glaube es war auch gut, dass es über BBB stattgefunden hat, weil der „Vibe“ hier nochmal ganz anders war und ich finde das ist immer wie eine digitale Schnitzeljagd.“
„Mir hat gut gefallen, dass wir uns mit Latein auseinander gesetzt haben. Ich konnte mir vorher nicht vorstellen wie die Sprache ist und der Unterricht abläuft. Schon sehr interessant.
Außerdem finde ich es gut, dass wir zusammen in Spanisch als Gruppe gearbeitet haben.“
„Am liebsten hätte ich gerne viel mehr gemacht, aber ich denke die anderen auch. Vielleicht beim nächsten Mal mehr Zeit :)“
„Natürlich wäre es ohne BBB ein bisschen persönlicher, aber eigentlich bin ich sehr zufrieden.“
Das Projekt erhielt von meinen Lernenden die Schulnote 1,9 (Noten 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend)).
México kommt nach Nordhessen
Nachdem der Ausflug in die Ursprungssprache Latein vorbei war, wollten wir die digitalen Möglichkeiten voll auskosten. Ich verabredete mich mit Belinda, einer mexikanischen Deutschlehrerin, die in Mexiko-Stadt wohnt und arbeitet. Da unser Spanischunterricht nachmittags stattfindet, konnte sie sich trotz Zeitunterschied in unseren Unterricht dazu schalten.
Mit Belinda habe ich seit einigen Jahren eine Kooperation. Ich verlinke dir ein anderes Projekt, das ich bereits mit ihr und ihren mexikanischen Deutschlernenden umgesetzt habe.
Ich kündigte den Besuch von Belinda in meinem Unterricht an. Die Stunde stand unter dem Motto: Sprechkompetenz fördern. Sprechen üben und über interessante Themen reden. Im Miro-Board sammelten die Lernenden Themen und überlegten sich in Vorbereitung Fragen und mögliche Antworten in der fremden Sprache.
Kollaboratives Tool Miro
Das Miroboard finde ich ein nützliches Tool, damit die Schüler*innen gleichzeitig an Produkten arbeiten können. Jede Lehrkraft kann sich einen Education-Account anlegen lassen. Du brauchst ein Schreiben von deiner Schule, dass du dort Lehrer*in bist und eine Bestätigung, dass deine Institution eine anerkannte Bildungsstätte ist. Bei mir hat die Angabe der Schul-Webseite ausgereicht. Und schon hatte ich in wenigen Tagen einen Zugang. Ich kann beliebig viele Boards anlegen und sie mit Lernenden teilen, so dass sie dort arbeiten können.
Sprechtraining
Das Sprechtraining mit Belinda klappte gut und war auf jeden Fall eine Abwechslung zum „normalen“ Unterricht. Als Belinda im BigBlueButton eintraf, sprachen wir kurz und stimmten die Lernenden auf die kommenden 60 Minuten ein. Dann teilte ich meine 15 Lernenden in zwei Gruppen. Belinda ging in einen Gruppenraum und ich in den anderen. Nach 20 Minuten kamen wir kurz zusammen und tauschten die Räume. Nach weiteren zwanzig 20 Minuten verabschiedeten wir uns von Belinda und im lockeren Feedbackgespräch erzählten viele von ihren Erfahrungen.
Mexikanischer Ausblick
In zwei Wochen treffen wir uns ein weiteres Mal mit Belinda. Dieses Mal bringt sie ihre Schüler*innen mit und in kleinen gemischten Gruppen werden sie über Corona in Deutschland und Mexiko sowie über Migration (das ist unser nächstes Thema) und was sie ansonsten noch interessant finden, sprechen. So haben sie die Möglichkeit, Jugendliche in ihrem Alter aus dem Zielsprachenland kennen zu lernen.
Drei nützliche Tipps für die Videokonferenz
Ich versuche je nach Größe der Lerngruppe, verschiedene Angebote der Beteiligung zu machen. Einigen Schüler*innen fällt es schwer, mündliche Beiträge in Videokonferenzen einzubringen. Im Fremdsprachenunterricht bietet es sich an, eine Wortschatz-Expert*in zu Beginn der Stunde zu benennen. Diese Expert*in sammelt zehn bis fünfzehn Sätze oder Wörter während der Stunde und erstellt im Anschluss ein Quizlet dazu. Wenn sie dort keinen Account haben, bereiten sie den Wortschatz anders auf. Das kommt bei meinen Lerngruppen selten vor. Die meisten finden dieses Tool nützlich, da sie Wortschatz auf ihrem Handy spielerisch üben können.
Wenn Schüler*innen oder ich etwas erkläre, das länger als fünf Minuten dauert und thematisch komplexer ist, wird ein Protokollant*in gefunden. Im BigBlueButton gibt es die Geteilten Notizen. Dort kann das Protokoll direkt geschrieben werden. Im Anschluss können wir über einige Passagen genauer sprechen. Damit haben alle eine Ergebnissicherung und ich kann Missverständnisse leichter identifizieren.
Zu Beginn der Videokonferenz bringe ich z.B. eine Weisheit in spanischer Sprache mit. Es handelt sich um kurze prägnante Sätze, die sich wunderbar zur thematischen und/oder grammatikalischen Weiterverarbeitung eignen.
Diese Weisheit lasse ich vorlesen und in kleinen Abschnitten übersetzen. Ich muntere die Lernenden auf, Vokabel-Fragen auf Spanisch zu stellen: ¿Qué signficia … en alemán? Dann erkläre ich zum Beispiel ein grammatikalisches Phänomen auf Spanisch (z.B. tanto/s – tanta/s) und lasse diese von den Lernenden wiederholen, ebenfalls auf Spanisch. Abschließend werden eigene Weisheiten auf Spanisch in den Chat ergänzt. Diese lasse ich je nachdem wie intensiv ich diesen Part ausweiten möchte, auch vorlesen.
Aussprachetraining im Distanzunterricht
Asynchron erhalten die Lernenden einen Text, den sie verstehen sollen. Anschließend üben sie die Aussprache. Jede/r liest den Text für sich und nimmt sich mit dem Online-Voice-Recorder auf. Diese Datei können sie im Lernmanagementsystem Moodle abgeben oder in die Nextcloud laden. Ich höre mir die Audios an und gebe eine individuelle Rückmeldung, indem ich eine Screencastaufnahme mache. Anhand des Texts erstelle ich eine Analyse ihrer Aufnahme. Für mich bedeutet es eine effektive Rückmeldung. Die Aufnahmen sind schnell erstellt und die Lernenden erhalten ein individuelles Feedback.
Zum Schluss noch eine Bildbeschreibung
Das Thema Konsumgesellschaft steht im Kerncurriculum. Die Lernenden suchen in einer Suchmaschine nach Bildern zum Thema. Dieses Mal habe ich ihnen den Link zur Recherche vorbereitet, damit die spanischen Ergebnisse gefunden werden. Jede Person sucht sich ein Bild aus und macht eine Bildbeschreibung. Die sprachlichen Mittel können sie im Lehrwerk nachschauen. Weiterhin interpretieren sie das Bild und machen sich Notizen. Die Antworten inklusive der Links sammeln sie im E-Portfolio Mahara. Dort kann ich kommentieren. Das E-Portfolio können sie auch zur Bewertung abgeben. Hier lasse ich ihnen eine Wahlmöglichkeit. Die Engagierten können hier Extra-Punkte sammeln und ich muss mir nicht alle anschauen, da sich nie alle für eine Bewertung entscheiden. In der Videokonferenz treffen wir uns und die Lernenden stellen sich gegenseitig die Bilder vor. Damit präsentiert eine Person, während die anderen das Verstehen üben. Zur Sicherung kann eine Sprachmittlung vorgenommen werden.
So bekomme ich relativ viele im Distanzunterricht aktiviert und biete unterschiedliche Möglichkeiten, sich je nach eigener Stärke einzubringen. Je größer die Gruppe ist, desto passiver werden einige. Das ist zumindest meine Erfahrung.
Bei großen Lerngruppen teile ich die Gruppen lieber in maximal fünf-Personen-Gruppen ein. Damit lässt sich besser arbeiten. Ihre Lernmaterialien und Selbsttests haben sie im Lernmanagementsystem Moodle zur Verfügung. Die kürzeren Besprechungsphasen in kleinen Gruppen sind oftmals effektiver als das zähe Arbeiten mit der gesamten Gruppe.
Welche Erfahrungen hast du bisher im Distanzunterricht gemacht? Was funktioniert gut? Was lernst du gerade? Ich freue mich, wenn du deine Erfahrungen mit uns teilst.
* = Darf gerne kopiert, verwendet und geteilt werden :-)